Fischrede 2023

von Sigi EhrnböckFisch

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

gleich vorneweg: Ich bin freiwillig zurückgetreten. Ich bin nicht zurückgetreten worden. Ich bin nicht wie der geschasste Generalsekretär der Bayern-SPD Arif Tasdelen. Ich habe mich den SPD-Genossinnen Schell und Dietl nicht in unangemessener Form genähert. Ich habe sie nicht nach ihren Telefonnummern gefragt. Die stehen nämlich im Telefonbuch!
Wir sind hier nicht bei der Bayern-SPD mit ihren Querelen, die deswegen hoffentlich nicht bei der Landtagswahl an der 5 Prozent-Hürde scheitert. Wir sind hier beim soliden, bodenständigen, skandalfreien SPD-Ortsverein, wo man nicht zwangsweise gendern muss, wo der stockende Doppelpunkt nicht die Sprache beherrscht, liebe Genoss : Innen!
Und wir haben die soliden, bodenständigen Kandidaten, die es schon richten werden: Unsere Jenny Dietl, die Monika Friedl und natürlich den Steve Brachwitz!

Nein, ich bin ohne Druck aus der Partei vom Stadtrat zurückgetreten. Was mich dazu trieb, wird für euch, liebe Genossinnen und Genossen sicher nachvollziehbarer nach dieser Aschermittwochsrede.
Ich hab mir meine letzte Fischrede vor 3 Jahren nochmal rausgeholt. Ja, solange ist das schon her! Wir waren mitten im Kommunalwahlkampf. Ich habe da über verschiedene Fische im Korallenriff referiert. Von den schwarzen Barschen, dem Schwarm der Farblosen, den bunten Umlandfischen, die später alle schwarze Schuppen bekommen, den roten, die bis ins hohe Alter ihre Farbe behalten und, dass nach der Wahl der modische Trend zu Grün wohl auch einen grünen Fisch ins Riff spülen wird.
Nix da: es waren gleich zwei grüne Fisch : Innen! Ausgangspunkt der grünen Welle: ein Lokal am Bayplatz. Den Historikern zufolge brach dort 1863 auch der verheerende Further Stadtbrand aus. Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Kommunalwahl 2020 und der Einzug der Grün : Innen in den Stadtrat das Rathaus und die halbe Stadt in Schutt und Asche legten.
Aber es war ein anderer Stadtrat. Die Sitzungen wurden nicht nur deutlich länger, sie verliefen ganz anders. Schon bei der konstituierenden ersten Sitzung wollten die Grünlinge die Geschäftsordnung geändert wissen. In den folgenden wurde regelmäßig die Tagesordnung moniert. Zu jedem Tagesordnungspunkt gabs episch lange Statements und oft auch maßlose Forderungen.
Und weil die Sitzungen dadurch meist Überlänge hatten, wozu auch unser Oskar maßgeblich beitrug, war es oft zu spät für eine Nachbesprechung im Wirtshaus. Da, wo man endlich vernünftig miteinander redet, da wo der gesunde Menschenverstand die Diskussion beherrscht. Nicht die Engstirnigkeit und die Ideologie. Aber später wars wurscht. Dann haben die Wirtshäuser wegen Corona eh zugemacht.

So richtig ausgetobt hat sich der neue Stadtrat beim Thema Hofer-Bräu. Denkwürdig die Mammutsitzung am 21.Januar 2021. Nach einem Coronatest im Foyer dann 6 Stunden Diskussion mit Maske im großen Saal des ATT.
Aber dank der Maskierung konnte man die Gesichtsausdrücke der Stadtratskolleginnen und -kollegen nicht sehen: Nicht die Wut, nicht die Zornesröte, nicht den Schaum vorm Mund und auch nicht das Gähnen. So machte der Further Stadtrat trotz der Tortur einen gesitteten Eindruck.

Hier und in vielen anderen Sitzungen zeigte sich oft: So mancher möchte gerne glänzen, obwohl er keinen Schimmer hat …
Letztlich bekam der Zeller Stefan seinen Rockpalast nicht, der Schmidt Toni muss sich von seinem geliebten Kopfbau des Hofer-Hotels trennen und wir von der SPD-Fraktion setzten uns zusammen mit Herwig Decker vorerst mit der Idee eines Bürger-Media-Centers durch.
Die Auslobung eines Gestaltungswettbewerbs dafür wurde beschlossen. Auch für eine neue Drachenhöhle anstelle der altehrwürdigen Festhalle. Denn in derselben Sitzung wurde auch deren Abriss besiegelt. Interessanterweise auch auf Drängen der Grünen. Sie sahen die Halle nur als monströses Tragegestell für die Bürgersolaranlage. Und auf die könne man getrost verzichten. Ausgerechnet die Grünen!
Jedenfalls wurden großspurig kostspielige Wettbewerbe ausgeschrieben. Für Media Center und Drachenhöhle. Dutzende, zum Teil sehr namhafte Architektur-Büros haben sich beteiligt. Die Siegerentwürfe waren ein Dreivierteljahr später im ATT zu bestaunen. Tatsächlich kam, zumindest bei den Beteiligten in der Jury so etwas wie Euphorie auf. Das wär doch was für Furth! Zwei architektonische Highlights. Leuchtturmprojekte. Einmalig im Landkreis!
Die anfängliche Begeisterung fand wiederum ein halbes Jahr später ein jähes Ende.
Der Stadtrat beerdigte in seiner 5-stündigen Sitzung am 29.07.2022 die beiden Vorhaben.
Die Kosten wären in Summe enorm gewesen. Schnell war klar: die Gesamtkosten von ca. 18 Mio. wird die Stadt nicht schultern können und es würde auf nur ein Vorhaben hinauslaufen.
Die Kostenberechnung des geplanten Neubaus einer Drachenhöhle hätte sich in Summe mit über 11 Mio. gegenüber den zuerst geschätzten Kosten fast verdoppelt. Die Förderungen hierzu wären zudem minimal gewesen. Deshalb lehnten auch wir schweren Herzens ab.
Das von uns angestoßene und von allen Seiten (außerhalb von Furth) gelobte Projekt eines Bürger-, Kultur- und Media-Centers hätte der Stadt abzüglich großzügiger Fördergelder gerade mal komplett 3 Mio. gekostet.
Nur drei Stadträte (unsere Fraktion und ein Umland-Stadtrat) sowie der Bürgermeister stimmten dafür. Der Rest des Stadtrats wagte dies nicht. Die Krämerseelen im Stadtrat hatten zuvor eindringlich vor den Unterhaltskosten gewarnt und ein Horrorszenario geschildert, mit Konkurs der Stadt und baldigem Weltuntergang. Damit haben sie es geschafft, die Mehrheit des Stadtrates in Angst und Schrecken zu versetzen.
Es ist mir ein Bedürfnis in diesem Zusammenhang den Begriff „Krämerseele“ zu erläutern: Der Krämer ist geizig, pedantisch und genau. Großzügigkeit und Verschwendung sind ihm ein Graus. Scheinbar unnötige Geldausgaben sind ihm verhasst. Er gönnt sich selten etwas – und den Mitmenschen erst recht nicht.
Da die Krämerläden inzwischen fast alle geschlossen sind, treffen wir den geistigen Nachfolger heute in anderen Berufen an. Hier nennt er sich zum Beispiel „Buchhalter“ oder modern „Controller“ oder gar „CFO“ (zu Deutsch Geschäftsführer Finanzen). So wie einst der Krämer seine Erbsen zählte, so zählen sie nun Eurocent und berechnen den ROI (Return of Investment) und die Rendite.
Eine „Krämerseele“ im Stadtrat zu haben, ist mehr als problematisch! Ein „Return of Investment“ gibt es nämlich bei städtischen Projekten nie! Als ob es eine städtische Einrichtung gäbe, die Rendite macht! Für alle gilt, ausnahmslos: „Von wegen Defizit! Draafzoin doama!“

Zurück zum Thema:
Jedenfalls sind wir damit nach besagter Sitzung, nach über zweijähriger Exkursion in die Welt der Architektur wieder auf dem Stand vom Herbst 2019.
Im Ernst: diese Sitzung und deren Ergebnis bezeichne ich heute noch als den absoluten Tiefpunkt in meiner Zeit als Stadtrat.
Also:
Zusammengefasst: Hofer weg, stattdessen nix hin. Und die Festhalle? Jedenfalls nix Drachenhöhle. Der Drache bleibt, wo er ist!
Ja ja, der Drache. Mobil ist er ja schon! In den letzten Jahren hat er eine Runde durch ganz Furth gedreht. Wo der schon überall war! Vom Schlossplatz über den Amtsgerichtshof zum Festplatz, auch auf dem Späth-Bräu-Gelände und auf der Hoferinsel ist schon gesehen worden.
Aber vielleicht landet er letztlich doch noch auf dem Festplatz.
Aber der Reihe nach:

28. Juli 2022:
HÜ! Der Stadtrat beschließt: die Festhalle bleibt! Unsere Fraktion plädierte zudem für eine Sanierung außen und innen.
Bemerkenswert: Bürgermeister Bauer ist in dieser wiederum episch langen Sitzung endlich mal ausgerastet. Er bezeichnete die ewigen Diskussionen zurecht wie „im Komödienstadl“. „Wir müssen in die Pötte kommen,“ schrie er, „die Arschbacken zusammenkneifen, nach vorne schauen und sagen, das machen wir jetzt“.
Recht hat er gehabt! Respekt!

15. September 2022:
HOTT! Der Stadtrat beschließt: Die Festhalle wird doch abgerissen! Sanierung käme zu teuer! Hallo Drache! An der Stelle soll für dich eine tolle Arena entstehen!
Das würde nicht nur die Fanny und den Regisseur Etzel Ragusa freuen, sondern würde auch wiederum viel Geld kosten! Ich hör schon wieder die Krämerseelen.
Deshalb: Vielleicht wieder zu früh gefreut, Drache! Die Geschichte ist noch nicht auserzählt.

Es dauert in Furth eben alles etwas länger.
Wie auch beim Späth-Bräu. Zu Beginn war hier zur Gartenschau eine moderne, beispielhafte innerstädtische Wohnanlage geplant. Auch hier wurde so lange über die Art der Bebauung und die Ausschreibung diskutiert, bis es zu spät war. In der kurzen Zeit bis zur Landesgartenschau nicht mehr realisierbar. Was hier nun entsteht? Offen. Aber wir haben nun ja wieder Zeit ohne Ende!
Manchmal gewinnt man Zeit, indem man sie verstreichen lässt.

Ein weiteres schönes Beispiel: E-Ladesäulen.
Gell, Silke, hätten wir keine Wallbox in der Garage, müssten wir als E-Mobilisten zum Stromtanken nach Arnschwang fahren. Oder nach Waldmünchen, nach Neukirchen oder Kötzting. In Furth gibt’s nämlich immer noch keinen Charger. Vor eineinhalb Jahren hat der Stadtrat zwar den Bau beschlossen, sich aber wieder über den Standort und den Betreiber zu Tode diskutiert.

Anderes Beispiel: Wohnmobilstellplatz.
Anfang Oktober 2021 haben wir erstmals den Antrag gestellt und auch den idealen Standort genannt. Diesen hat die Verwaltung abgelehnt, weil er sich im Bereich des 100jährigen Hochwassers des Chamb befindet. Unser Einwand: Wohnmobile hießen so, weil sie mobil seien und jederzeit den Standort bei drohendem Hochwasser verlassen könnten! Doch das interessierte nicht weiter.
Dabei muss man wissen, dass sich auch der DM und zum Teil der neue Aldi in dem sogenannten HQ 100 befinden. Ein Standortwechsel im Falle eines Jahrhunderthochwassers wäre hier ungleich schwieriger!

Die Liste der Projekte, die vor langer Zeit groß angekündigt waren und bis heute nichts wurden, kann lang ergänzt werden: Sportpark mit Pumptrack, Appartementhotel am Stadtplatz, Fahrradweg nach Ränkam, Neugestaltung Alfred-Peter-Platz, und, und, und…

Was ist dann letztlich in den vergangenen 3 Jahren geschaffen worden? Das werden wir wohl beim Jahresempfang vom Bürgermeister erfahren … falls es denn einen gibt. Aber es ist dafür ja noch Zeit bis zum Jahresende!
Man gewinnt Zeit, indem man sie verstreichen lässt …

Ach ja, da fällt mir doch noch was Positives ein. Der Baumeisterfisch aus meiner Fischrede von 2020, der Kollege Stelzer hat sich erbarmt und einen der krassesten Schandflecke in Furth, den Kolbeck erworben, reißt ihn weg und baut was Neues hin. Selbst die Baumschützer konnten ihn nicht stoppen.
Dabei sollten wir Further solche Investoren ermutigen und ja nicht entmutigen. Denn da gäbs noch weitere Schandobjekte zum Entfernen: Am Bierl-Gelände, das Faltermeier-Haus und so weiter…
Aber wir haben halt nicht viele mutige Investor Familien in Furth. Schon gar keine Wanningers, Staudingers oder Freys.
Dafür haben wir jetzt die Grün:Innen. Irgendwie fällt mir jetzt doch wieder der Further Stadtbrand ein. Ihre Vorstellungen zur Stadtentwicklung sind so nachhaltig, aufbauend und gedeihlich wie die damalige Feuersbrunst.
Was die Grünen bei der Lacka nicht geschafft haben, wollen sie nun bei den notwendigen Baumfällungen und der Umgestaltung des zukünftigen Gartenschaugeländes erreichen.
Da wird sich doch der eine oder andere schützenswerte Habitatbaum finden! Ein Gerücht, dass in einem Baum ein Eichhörnchen lebt, stellte sich gottseidank als Fehlalarm heraus. Eine Zwangsräumung war nicht nötig. Die Umsiedlung hätte vielleicht sogar den Eröffnungstermin der Landesgartenschau 2025 gefährdet.
Und die vielen Käfer im Totholz der alten Bäume! Des Käfers Freud könnte aber zum Leid eines Gartenschaubesuchers führen, wenn ihm ein Ast auf den Kopf fällt!
Oder, haben Sie schon mal was von der „Mühlkoppe“ gehört? Ein kleines Fischlein, das erst bei der Untersuchung der Pastritz entdeckt worden ist. Der muss jetzt umziehen, ob er will oder nicht. Gottseidank machen wenigstens die Fischschützer keinen Ärger.
Die Landesgartenschau darf nicht gefährdet werden! Und da zähle ich auch auf die neue SPD-Stadtratsfraktion. Reingeschlechtlich weiblich! Jenny und Silke werden es schon richten! Meine Erfahrung aus meiner Zeit als Lehrer: Die reinen Mädchenklassen waren stets die fleißigsten, die engagiertesten und die erfolgreichsten! Na gut, da gabs auch mal Gezicke. Aber unsere Stadträtinnen sind, denk ich, alt genug!

Ja, drei Jahre sind seit meiner letzten Fischrede vergangen. Viele Stürme sind seither durch das Further Wasserglas gezogen. Aber die Further Welt ist letztlich immer noch in Ordnung.
Der Hofer steht noch, der Späth-Bräu auch und auch die Festhalle in ihrer vollen Schönheit. Die Bürgersolaranlage auf dem Dach liefert immer noch brav regenerativen Strom ins Netz der Further Stadtwerke.
So ist es dem gemeinen Further am liebsten. Es soll schon alles besser werden, aber ändern soll sich um Himmels Willen nichts. Ach ja, in zwei Jahren soll eine Landesgartenschau in Furth sein. Ja, wenn‘s unbedingt meinen, von mir aus, des wird eh nix, denkt sich der Bürger. Und wenn doch: Die vielen Auswärtigen! Da wird’s zugehen! Und: Wehe, unser Drachenstich wird dadurch gestört. Denn der ist das Wichtigste in Furth. Seit Jahrhunderten! Was ist dagegen so eine lächerliche Blümerl-Schau.
Aber die Stimmung wird sich hoffentlich drehen, wenn‘s nun endlich was zu sehen gibt. Vorerst gibts nur Tabula Rasa, wenn‘s nun tatsächlich zu den Abrissen kommt. Und die Geduld der Further wird in den nächsten Jahren noch arg strapaziert werden, bis das Ganze Gestalt annimmt.
Auch die Zweifel, ob denn alles bis in 2 Jahren fertig sein wird, werden wachsen.
„Was aber, wenn’s misslingt?“
Diese Frage verhinderte schon viele glückliche Unternehmungen. Ich bin zuversichtlich, denn wie Friedrich Schiller sagt: „Die wahren Optimisten sind nicht überzeugt, dass alles gutgehen wird. Aber sie sind überzeugt, dass nicht alles schiefgehen wird.“
Vielen Dank!

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