Der Fall Forelle

A vertrackte G'schicht 
von Wolfgang Kerscher

beim kommunalpol. Aschermittwoch
der Further SPD

Der Fall Forelle

Folgender Sachverhalt: 
Franz Schubert:  Die Forelle (bei Youtube)

„In einem Bächlein helle,Forelle
Da schoß in froher Eil
Die launische Forelle
Vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh
Des muntern Fischleins Bade
Im klaren Wasser zu.
Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Wasser stand
Und sah mit kaltem Blute,
Wie sich das Fischlein wand.
So lang dem Wasser Helle,
So dacht ich, nicht gebricht,
So fängt er die Forelle
Mit seiner Angel nicht.
Doch endlich ward dem Diebe
Die Zeit zu lang.
Er macht das Bächlein tückisch trübe,
Und eh ich es gedacht,
So zuckte seine Rute,
Das Fischlein zappelt dran
Und ich mit regem Blute
Sah die Betrogne an.“

An einem Winternachmittag im letzten Jahr ging der Fischereiberechtigte Landwirt Georg Hackl wie jeden Tag an dem fischreichen Riedlbach an der Grenze zu Böhmen entlang. Nicht ohne Erstaunen erkannte er plötzlich in einiger Entfernung eine männliche Gestalt, die offenbar gerade damit beschäftigt war, mittels einer Angel aus seinem Fischwasser eine Forelle herauszuziehen. Mit wenigen Sätzen sprang er auf die Gestalt zu und hatte sie auch schon gepackt, noch ehe der schmächtige junge Mann die Angel wegwerfen und fliehen konnte. Der Täter schien eher verschüchtert und keineswegs gefährlich. Dennoch band ihn Hackl mit seinem Hosengürtel an der Stoßstange seines Geländewagens fest und alarmierte über Handy die Polizeiinspektion Furth im Wald.

Nach kurzer Zeit erschien Polizeihauptkommissar Hans Kistl mit seinem Kollegen, dem erfahrenen Polizeihauptmeister Stefan Prügl. Eine genaue Untersuchung des Tatorts ergab,Franz Schubert dass es dem Täter nur durch eine besonders heimtückische Tatausführung gelungen war, der scheuen Bachforelle ganz unweidmännisch mittels eines Regenwurms habhaft zu werden: Schlammigbraun und schmutzigtrüb rann das Wasser des einst so klaren Baches. Der wahrscheinlich aus der tschechischen Republik illegal über die Grenze gewechselte Täter hatte offenbar den Bach verunreinigt, um seiner Beute umso leichter habhaft zu werden!

Der Verdächtige wurde festgenommen, Angel und Forelle und eine mit unverständlichen Schriftzeichen bedruckte Blechdose mit Regenwürmern wurden beschlagnahmt. Eine sofortige Nachsuche ergab zwar keine Hinweise auf Schleuser oder Komplizen. Dennoch wurde für den nächsten Tag eine Spurensuche anberaumt und eine entsprechende Meldung abgesetzt. Die Erfahrung zeigte nämlich, dass gerade im Winter illegale Grenzübertritte gruppenweise erfolgten.

Auf der Dienststelle nahmen die beiden Beamten ihren Fang etwas näher in Augenschein. Vor ihnen saß ein kleiner Mann von vielleicht 30 Jahren. Auffallend an ihm war seine runde Nickelbrille, die ihm zusammen mit dem zerzausten Kopfhaar und der gedrungenen Gestalt das Aussehen eines Schwammerls gaben. Wie sich zeigte, war der Mann erheblich kurzsichtig und ohne seine Augengläser ziemlich hilflos. Erstaunlich war vor allem seine Kleidung: Die Kniehosen und der enge, schwarze Gehrock, der ehemals weiße Stehkragen und das verschossene seidene Halstuch ließen eher einen Festspieler aus dem Landkreis als einen illegalen Osteuropäer in ihm vermuten. Wenigstens sprach er eine Art von Deutsch, wenn auch in merkwürdigen Sätzen und mit einem starken österreichischen Akzent.

Unter seinen Habseligkeiten hatten sich zwar die Blechbüchse mit Regenwürmern befunden und nahezu unleserlich beschriebene Notenblätter, nicht aber ein Pass oder ein anderes Personaldokument. So waren die Polizeibeamten auf die Angaben des Verdächtigen selbst angewiesen. Er sagte, er heiße Franz Seraph Schubert, geboren in Lichtenthal bei Wien. Auf die Frage nach dem Wohnsitz antwortete er:
„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ ich wieder aus.“
Er befinde sich auf der „Winterreise“.

PHM Prügl überlegte. Dann schrieb er: „Täter vermutlich österreichischer Staatsangehöriger. Ohne festen Wohnsitz.“

Das war natürlich für eine richtige Ermittlung zu wenig. PHM Prügl gab nicht auf. Er holte den Kommissar.

„Moanst net, dass er an Komplizen g’habt hat? Normal kimmt der doch ohne an Schleuser net bis daher, no dazua im Winter.“

PHK Kistl war der gleichen Meinung. Er wandte sich an den Gefangenen:
„No, wer hat uns denn bis daher ‘bracht? Samma eppa vo Prag kemma? Gell, da Jiři?“
PHK Kistl galt in der Dienststelle als Meister der Vernehmungskunst.

Der Mann, der sich Schubert nannte, antwortete bedächtig und gedankenverloren:
„Ich kann zu meiner Reisen nicht wählen mit der Zeit,
Muß selbst den Weg mir weisen bei dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten als mein Gefährte mit,
Und auf den weißen Matten such ich des Wildes Tritt.“

„Siehgst, er hat doch an Komplizen g’habt! Des sagt a selba!“ sagte der Hauptkommissar.
Er freute sich über diesen ersten Vernehmungserfolg. Als er allerdings im Computer unter dem Namen „Mondenschatten“ keinen Eintrag fand, entschloss er sich zu einem Neueintrag. Langsam tippte er mit zwei Fingern: „Mittäter flüchtig. Name vermutlich: Mondenschatten. Alias überprüfen.“

Die Vernehmung schien ja doch ergiebig zu werden. Vielleicht konnte aus dem Beruf des Täters auf die Hintergründe seiner Tat und sein mögliches Reiseziel geschlossen werden. PHK Kistl entschloss sich, leutselig zu werden:
„Was samma denn von Beruf, ha?“

Der Fremde seufzte tief:
„Meine Laute hab‘ ich gehängt an die Wand,
Hab sie umschlungen mit einem grünen Band.
Ich kann nicht mehr singen, mein Herz ist zu voll,
Weiß nicht, wie ich’s in Reime zwingen soll.“

Trocken kommentierte PHM Prügl:
„A so, arbatsloser Musiker, da hamma selba g’nua. Und solcherne, de net g’scheit singa könna, de schick‘ ma sogar bis zum Grand Prix!“ Es hörte sich an, als ob er „Brie“ sagen würde.
„Kannst vielleicht was G‘scheit’s aa?“

Der Festgenommene war in dumpfe Melancholie versunken.

Der Polizeibeamte startete einen letzten Versuch:
„Soll’ma vielleicht eppan benachrichtig’n, dass d’dawischt word’n bist?“

Traurig und müde sah der angebliche Franz Schubert auf:
„Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh‘,
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.
Was soll ich länger weilen,
Dass man mich trieb hinaus?
Laß irre Hunde heulen,
Vor ihres Herren Haus!“

Und PHM Prügl tippte: „Ohne soziale Bindungen.“ Das würde die Abschiebung erleichtern. Was sollte man mit so einem komischen Vogel auch in Deutschland? Wenn er schon als Österreicher in Deutschland arbeiten wollte, dann höchstens in der Gastronomie, als Kellner oder Zuhälter. Und er ging an den Computer, um die Ausländerbehörde beim Landratsamt zu verständigen. Es eilte nicht mehr heute. Die Uhr zeigte fast Vier, und um diese Zeit waren ohnehin beim Ausländeramt schon alle nach Hause gegangen. Selbst die Leiterin Hanni Bietl war wegen einer Veranstaltung der Further Sozialdemokraten heute bereits nicht mehr im Amt. Morgen würde sich der ganze Apparat in Bewegung setzen: Landratsamt, Staatsanwalt, Amtsgericht, Presse. Wenigstens brauchte man für den seltsamen Österreicher keinen Dolmetscher – obwohl, so, wie sich der ausdrückte, war er nicht ganz „sauber“. Entweder war er verrückt oder ein besonderer Schlawiner. Er beendete seine Überlegungen, indem er „Schubert“ in die Arrestzelle sperrte und nach Hause ging.

Am nächsten Morgen titelte Johannes Gscheidermeier im Bayerwald-Echo:
„Forellen durch Ausländer dezimiert.“
Thomas Erbsmeier von der Chamer Zeitung setzte wie immer einen anderen Schwerpunkt:
„Geisteskranker Österreicher verunreinigt Riedlbach.“

Die Zeitungsmeldungen schreckten einige von Berufs wegen besonders betroffene Landkreisbürger auf.

Als erster hatte Landrat Gabler von seiner Gattin die Morgenzeitung überreicht bekommen. Als Mann der Tat konnte er es nicht hinnehmen, dass ohne seine Mitwirkung Österreicher Bäche verunreinigten oder Forellen dezimierten. Und wenn, dann galt es, sich an die Spitze des Fortschritts zu setzen, ehe MdL Hoppel, von dem er ohnehin nicht viel hielt, die Situation propagandistisch für sich ausschlachtete.

Landrat Gabler überlegte: Es reichte sicher nicht aus, eine Pressekonferenz abzuhalten. Man mußte vor Ort zeigen, dass man sowohl die Reinheit der Gewässer dritter Ordnung, als auch die Sicherheitslage im Landkreis unter Kontrolle hatte. Außerdem war zu bedenken, dass der Österreicher geistesgestört war und sich an Fischen vergriffen hatte. Als Bezirkstagspräsident war man sowohl für die Teich- und Fischwirtschaft der Oberpfalz zuständig als auch für die Bezirkskrankenhäuser. All dies musste berücksichtigt werden. Wenigstens war der Täter kein Tscheche, wo man doch mit kontaminierten Wildschweinen ..... Er erschrak: Sollte vielleicht Julius Gscheidl aus Bad Kötzting tatsächlich den Österreicher angestiftet haben, den Bach zu verschlammen, um sich dann als Retter reiner Grenzbäche aufzuspielen? Dann hätte dieser Gscheidl schon wieder Punkte für die Landtagswahl gesammelt....Nein, eher wäre es dem Tony Sargdorfer zuzutrauen gewesen, dass er einen wohnsitzlosen Ausländer zum Schwarzfischen anstiftete, anstatt die Forellen legal zu erwerben. Aber der Tony war im letzten Jahr bereits gestorben und schied damit aus. Noch ein Problem stellte sich: Als Landkreis der Zukunft durfte man sich auch nicht offen ausländerfeindlich verhalten. Andererseits würde die Bevölkerung klare Worte wünschen.

Auf dem Weg zum Landratsamt fiel Gabler die rettende Lösung ein: Er würde den Vorfall zum Anlass nehmen, die Breitband-Anbindung aller freifließenden Gewässer an die Kreiswerke Cham zu verkünden. Wie das genau gehen sollte, wusste er nicht, aber das war ja auch nicht seine Sache. Irgendwie müsste einer im Landratsamt mit der Webcam und mit dem Internet - so ähnlich wie bei den Luchsen - und dann würde man klare Bäche sehen und sprudeln hören.....

Auch am Frühstückstisch des Ehepaares Langmann in Unterhütte war die Zeitungsmeldung Gesprächsthema. Roberts Frau blickte vom Müsli auf: „Ein Umweltfrevel an der Grenze. Meinst Du nicht, wir müssen uns um den Bach kümmern?“
Robert versuchte gerade, die Getreidemühle in Gang zu setzen. Er war zwar Vorstandsmitglied im Bund Naturschutz und aß deshalb selbstgemahlenen Buchweizen, aber er hatte auch berufliche Pflichten.
Sein Vorschlag war ebenso präzise wie bequem für ihn. Er rief die Kreisrätin Andrea Klettermann an, beschrieb den Naturfrevel am Riedlbach und forderte:
„Kette du dich einstweilen an einer Weide am Ufer an, bis der Bach sauber ist. Ich habe heute sechs Stunden zu tun und bringe dir um halb Zwei einen Müsliriegel. Dann besprechen wir das weitere Vorgehen.“
Annemarie stieg in ihre Naturgummistiefel und gehorchte.

Natürlich nahmen die sozialen Medien den Vorfall begierig auf. Zwei Twitter-Meldungen erregten besondere Aufmerksamkeit:
# Seltsamer Vogel räubert im Riedlbach #
Als der oberste Vogelschützer des Landkreises diese erste Meldung las, verließ er sofort Nößwartling, um sich des seltsamen Vogels anzunehmen. Am Riedlbach angekommen, sah er schon von weitem an einer Erle einen Vogel mit rosa und grünem Kopfschmuck. Allerdings handelte es sich bei näherer Betrachtung nur um die angekettete Kreisrätin Klettermann in ihrer farbigen Haartracht.

Die zweite Twitter-Meldung lautete
# geisteskranker Flüchtling am Riedlbach verhaftet #.
Sie bewog die bestürzte Behindertenbeauftragte Renate Lachs aus Roding zum sofortigen Handeln. Zusammen mit Vera Bauer aus Furth im Wald erreichte sie den Tatort gerade noch rechtzeitig mit einem selbstgemalten Transparent, auf dem die sofortige Freilassung des behinderten Flüchtlings gefordert wurde.

Nur die Further Stadtspitze war anderweitig beschäftigt. Bürgermeister Sandro Knecht diskutierte mit dem Stadtrat und Herwig Tucher über die ins Spiel gebrachte Idee, in dem Hofer-Areal ein dauerhaftes Puppentheater einzurichten, was nicht allgemeine Zustimmung fand. „A Kaschperltheater hamma doch scho!“ brachte es SPD-Stadträtin Elke Schrill auf den Punkt. Und so hatte man keine Zeit, von den Ereignissen am Riedlbach Kenntnis zu nehmen.

Ebenso wenig gelang es PHK Pfuhl von der Polizeiinspektion, mit seinen tschechischen Kollegen Kontakt aufzunehmen, um von ihnen mehr über die mögliche Identität des Fischwilderers und seine Gefährlichkeit zu erfahren. Diese waren zu einer Dienstbesprechung in die Stadt Taus gefahren, wo ihnen der örtliche Polizeichef vor allem den von seinem Bruder selbst gebrannten Sliwowitz zur Verkostung vorstellte.

Um 9 Uhr waren die Abteilungsleiter des Landratsamtes zur Konferenz versammelt. Um 10 Uhr hatte die stets kompetente und beflissene Regierungsdirektorin Sauber bereits einen Überwachungsvertrag ausgearbeitet und die Gründung einer Digitalen Gewässerüberwachungs-GmbH vorbereitet. Der entscheidende Coup aber war, MdL Hoppel, MdL Lidl von den Freien Wählern, den Bund Naturschutz und den LBV dadurch auszubooten, dass der Landrat eigenhändig den Computer zur Gewässerüberwachung um 12 Uhr in Gang setzen würde. Anschließend würde er persönlich eine in den Teichen des Bezirks Oberpfalz gezüchtete Forelle im Bach aussetzen. Natürlich waren TVA, Rundfunk, Presse, Bund Naturschutz, LBV und die beiden Landtagsabgeordneten zu dem Ereignis geladen. Nachher sollte beim Penzkofer in Eschlkam ein Fischessen stattfinden, zu dem die Blaskapelle „Die Fischerbuam“ aufspielen würde.

Es wurde eine eindrucksvolle Demonstration Oberpfälzer Brauchtums: Der Landrat hielt eine bewegende Rede, in der vor allem die verfehlte Politik der Ampelkoalition geißelte, durch die solch ein Fischfrevel begünstigt würde. Der Landkreis Cham hingegen setze sich mit dieser Webcam wie immer an die Spitze des Fortschritts.. Die Forelle wurde aus einem grünen Plastikbehälter mit dem Bezirkswappen geholt und entglitt der Hand des Landrats ins Wasser des Riedlbachs. Anschließend versammelten sich alle Beteiligten andächtig vor einem Laptop, der eine stark verkleinerte Abbildung dessen wiedergab, was man von der Stelle aus sah, an der sich die Versammlung eingefunden hatte. Nur die Farben waren anders.

MdL Hoppel hatte es gerade noch geschafft, eine Schaufel herbeizuschaffen. In seiner Rede betonte er, wie er sich persönlich beim Heimatminister für den Schutz der Gewässer im Landkreis Cham eingesetzt habe. Er habe es durch seine guten Kontakte zu seinem Freund Albert, wie er den Minister Gegenacker nannte, erreicht, dass das Ministerium einen erheblichen Zuschuß für die Gewässerreinhaltung in seinem Wahlkreis bereitgestellt habe. Aus diesen Landesmitteln habe er als Sofortmaßnahme beim Grüneißl in Cham eine Schaufel erwerben können, um aktive Gewässerreinhaltung zu betreiben. Eigenhändig grub er eine Schaufel voll Schlamm aus und warf sie in hohem Bogen auf die angrenzende Wiese. Ein Spritzer traf die an eine Erle – die Weiden waren im letzten Jahr illegal abgeholzt worden – angekettete Andrea Klettermann, die sich als Fotoobjekt allerdings sehr dekorativ darstellte und deren Abbildung in der alternativen Zeitschrift „die lichtung“ zu zwei Leserbriefen und einem neuen Abonnenten führte.

Auch die Freien Wähler reagierten: Sonnyboy Julius Gscheidl war allerdings mit der Neuaufnahme weiterer Mitglieder so beschäftigt, dass er vergaß, seinen Abgeordneten zu informieren. Der Kauf eines Spatens gehörte ohnehin nicht zu seiner Kernkompetenz als Politologe. MdL Lidl wusste also wegen der Kürze der Zeit noch nicht, worum es bei dem Pressetermin ging. Er hob deshalb zunächst einmal die kluge Politik des bayerischen Wirtschaftsministers hervor, durch die der Landkreis Cham bestens gefördert werde. Dann forderte er zur Wachsamkeit gegenüber allen Bestrebungen auf, die freiheitliche Regierung Österreich zu diskriminieren.
„Du Depp, der Fischdieb war a Österreicher“ sagte der Landrat beim anschließenden Bier. MdL Lidl hörte es nicht mehr; er war gerade bei der dritten Halben Weißbier.

Um halb Drei wurde Andrea endlich von Robert abgekettet, gerade noch rechtzeitig, bevor die beiden Sozialdemokratinnen mit ihrem Transparent eintrafen. Wenigstens hatten die vielen Politiker den Bach noch so aufgewühlt, dass er sich schlammig-trüb präsentierte. Die eingesetzte Forelle war längst verschwunden. Nach Fotos für die Presse entschlossen sich die Initiatorinnen der Demo, auch zum Penzkofer zu gehen, weil es da Freibier gab. Andrea zog den heimischen Kräutertee vor.

Der angebliche „Schubert“, für den sich von den Politikern niemand interessierte, war inzwischen dem Schnellrichter beim Amtsgericht Cham vorgeführt worden.

Den Vorsitz führte Richterin Fischer, schon wegen ihres Namens mehr als kompetent.

Rechtsanwalt Marko Haifisch aus Cham hatte die Verteidigung des wohnsitzlosen Fischwilderers übernommen. In einem zwanzigminütigen Plädoyer versäumte er nicht, auf folgendes hinzuweisen:

„Mein Mandant hat sich in Ausübung seines künstlerischen Berufes, zu dessen Perfektionierung er sich auf die bereits mehrfach erwähnte Winterreise begeben hat, infolge mehrerer unglücklicher Liebesbeziehungen in einem seelischen Ausnahmezustand befunden. Als Abkömmling einer durch zahlreiche Schicksalsschläge in eine Existenzkrise geratenen und in ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie hat er sich zum Gelderwerb zu einer ausgedehnten Reisetätigkeit entschlossen. Wegen der kaum sichtbaren Grenzmarkierungen war es ihm unmöglich, den Verlauf der Staatsgrenze zu erkennen. Er hat deshalb, in der Meinung, noch nicht auf dem Gebiete der Bundesrepublik Deutschland befindlich zu sein, den Entschluß gefasst, zum Zwecke der bereits dringend erforderlichen Nahrungsaufnahme mittels einer zufällig mitgeführten Angel eine Forelle aus dem Bach zu entnehmen. Dabei ist er schonend vorgegangen und hat ein kleines Exemplar ausgewählt. Keinesfalls hat mein Mandant fremdes Eigentum oder das Aneignungsrecht des Fischereiberechtigten verletzen wollen. Auch die Eintrübung des Baches ist nicht auf die bewusste und gewollte Handlung des Angeklagten zurückzuführen, sondern stellt eine lediglich zwangsläufige und daher keinesfalls einen strafrechtlichen Tatbestand begründende Folge der Beschaffenheit des Ufers dar. Bei der Ausführung der Tat hat sich mein Mandant daher in einem unvermeidlichen Verbotsirrtum befunden, zumindest aber im Zustande der teilweisen oder vollständigen Schuldunfähigkeit, der bei ihm als Komponisten ohnehin naheliegt.“

Rechtsanwalt Haifisch richtete sich noch einmal zu voller Größe auf und erhob seine sonore Stimme:
„Ich beantrage daher in erster Linie Freispruch, höchst hilfsweise und vorsorglich aber und in Kenntnis des Umstandes, dass bei der Landkreismusikschule bereits mehrere hervorragende nichtdeutsche Musiklehrer wirken und die Kosten der musikalischen Ausbildung für den Landkreis immer höher werden, die Strafaussetzung zur Bewährung mit der Auflage, dort eine angemessene Zeit unentgeltlich Musikunterricht zu erteilen.“

In seinem letzten Wort nahm der Angeklagte noch einmal zu seinen Beweggründen Stellung:

„Was vermeid ich denn die Wege
Wo die andren Wandrer geh’n,
Such mir versteckte Stege
Durch verschneite Felsenhöhn?
Habe ja doch nichts begangen,
Dass ich Menschen sollte scheu’n,
Welch ein törichtes Verlangen
Treibt mich in die Wüstenei‘n?
Weiser stehen auf den Wegen,
Weisen auf die Städte zu,
Und ich wand‘re sonder Maßen,
Ohne Ruh und suche Ruh.“

Richterin Fischer erkannte in dieser Einlassung des Angeklagten weder Reue noch Schuldeinsicht, sondern wertete sie als Schutzbehauptung. Sie verurteilte ihn wegen Fischwilderei nach § 292 StGB in Tateinheit mit vorsätzlicher Gewässerverunreinigung nach § 324 Abs.1 StGB zur üblichen Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Der verurteilte angebliche Komponist sollte baldmöglichst abgeschoben werden. Die Angel unterlag nach § 295 StGB der Einziehung.

Die Dose mit den Regenwürmern wurde Zollamtmann Schellfisch zur Inspizierung übergeben, der sie, wie immer wortkarg, entgegennahm. Da die Regenwürmer sich aufgeregt ringelten, wurden sie auf Anhaftungen von Crystal Meth untersucht. Nachdem aber kein Rauschgift gefunden wurde, entschloss sich Schellfisch zur pragmatischen Lösung und kippte sie hinter der Zollinspektion auf den Kompost, in dem sie wortlos verschwanden.

Übrig blieb die Forelle, nun schon einige Tage alt. Obschon kühl gelagert, war sie dennoch nur noch als Material für eine Fischrede zu gebrauchen.

wk

Nachtrag:

Zu den Personen:

PHK Kistl = PHK Schächtl
PHM Prügl = PHM Brückl (berüchtigt dienstgeil)
Hanni Bietl = Jenny Dietl, Leiterin der Ausländerbehörde
Gscheidermeier = Johannes Schiedermeier
Erbsmeier = Linsmeier, Redakteur der Chamer Zeitung in Furth im Wald
Landrat Gabler = Löffler
MdL Hoppel = MdL Hopp
Julius Gscheidl = Julian Preidl, Kreisrat und Landtagskandidat der Freien Wähler
Tony Sargdorfer = Tony Schreindorfer, Warzenried
Robert Langmann = Robert Kurzmann, Bund Naturschutz
Kreisrätin Andrea Klettermann = Andrea Leitermann, Kreisrätin der Grünen
Oberster Vogelschützer = Markus Schmidberger, Geschäftsführer LBV
Renate Lachs = Behindertenbeauftragte und Kreisrätin Renate Hecht, SPD
Vera Bauer = Vera Müller, Ex-Kreisrätin aus Furth im Wald, SPD
Sandro Knecht = Sandro Bauer, Bürgermeister Furth im Wald
Herwig Tucher = Herwig Decker, Geschäftsführer der Landesgartenschau, Furth im Wald
Elke Schrill = Silke Schell, Stadträtin in Furth im Wald, SPD
PHK Pfuhl = Buhl, Leiter der PI Furth im Wald
Regierungsdirektorin Sauber = Patricia Stoiber, LRA Cham
MdL Lidl = MdL Riedl, Kreisrat der Freien Wähler
RA Marko Haifisch = RA Heimann, Cham
Zollamtmann Schellfisch = Zollamtmann Schell

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